Klavierrezital „Drei Pianisten auf fröhlicher Schlittenfahrt“ – Medienbericht

Zollikerberg: Unterhaltsame Klassik in der Residenz Neumünster Park

Von Max Nyffeler / 22. Januar 2017

Vor zwanzig Jahren gab es die „Drei Tenöre“, gestandene Mannsbilder, die zu dritt ihre Arien schmetterten und Millionen von Platten verkauften. Ein etwas anderes Trio war nun, veranstaltet vom Quartierverein Zollikerberg und der Residenz Neumünster Park, am vergangenen Sonntagnachmittag in der Kirche des Neumünster Parks zu erleben: Die „Drei Pianisten“. Als Gesamterscheinung wirken sie nicht weniger ausgefallen als Pavarotti & Co. – gerade weil sie sich schon in etwas vorgerücktem Alter befinden und vom Alter her je rund ein Jahrzehnt auseinander sind.

Die „Drei Pianisten“: Das sind der in Sankt Petersburg geborene und ausgebildete Pianist, Organist und Komponist Alexander Brincken, der seit über zwanzig Jahren in Luzern wohnt und arbeitet; der vielseitige Musik- und Sprachwissenschaftler Alfred Wettstein, der früher nebenher Stephanie Glaser und andere Kabarettgrössen am Klavier begleitete, und als Ältester Joachim Blass, Romanist und langjähriger Französischlehrer am Freien Gymnasium Zürich; für den technisch brillanten Musikliebhaber war das Klavierspiel stets mehr als eine heimliche Leidenschaft – in den 1970er Jahren spielte er in Amateurkonzerten in der Tonhalle mit dem Zürcher Kammerorchester auch schon mal Klavierkonzerte von Mozart.

Mit einer abwechslungsreichen Folge von kurzen Stücken schlug das Programm einen Bogen über drei Jahrhunderte von Barock bis Gershwin, wobei die drei Pianisten sich stets abwechselten. Brincken begann mit der Sarabande und Gigue aus Bachs Englischer Suite in F-Dur, Wettstein folgte mit drei selten zu hörenden, mit „Solfeggio“ betitelten Virtuosennummern der Bach-Söhne Johann Christoph Friedrich und Carl Philipp Emanuel, Blass leitete mit Mozarts Fantasie in d-Moll in die Klassik über. Der Einstieg holperte gelegentlich noch etwas – die Anfangsnervosität und die Gewöhnung an den Flügel forderten ihren Tribut.

Die unterschiedlichen Charaktere der drei Interpreten, die sich schon in dieser ersten Runde bemerkbar machten, nahmen in der Folge immer deutlichere Konturen an. Joachim Blass ist mit sage und schreibe fünfundachtzig Jahren noch immer ein quecksilbriges Temperament und legt viel Wert auf eine differenzierte Darstellung der musikalischen Verläufe. In einem „Andante varié“ von Joseph Haydn zeigte er, wie einfallsreich der Komponist auch kleine Formen zu gestalten wusste, und die Figurationen und Läufe in Chopins Walzer in cis-Moll zeichnete er mit Leichtigkeit nach. Sein Kampf mit dem Notenpapier war eine szenische Zugabe, die das Publikum amüsierte. Energisch zupackend und mit robuster Attacke dagegen das Spiel von Alfred Wettstein. Sein Chopin – die „Grande Valse brillante“ in Es-Dur – strahlte in hellem Fortissimo, und den knorrigen Humor von Beethovens Variationen in D-Dur op. 34 brachte er sinnfällig zur Geltung. Brincken wiederum, als Organist mit einem besonderen Ohr für satte Klangmischungen und einem sicheren rhythmischen Gefühl begabt, tauchte bei Schuberts Impromptu in Ges-Dur tief ein in den warmen, von dunkel rollenden Basstrillern untermalten Klangstrom. Mit „Golliwoggs’ Cakewalk“ von Claude Debussy, der augenzwinkernden Parodie auf einen afroamerikanischen Modetanz aus der Zeit um 1900, sorgte er danach für einen munteren Akzent im Programm.

Je länger das Konzert dauerte, desto mehr lockerte sich die Atmosphäre. Eine effektvolle, von Joachim Blass mit Bravour gespielte Toccata von Aram Khatchaturian, die drei jazzigen, von Alfred Wettstein flott servierten Preludes von George Gershwin, und dann der unterhaltsame Abschluss mit einer musikalischen Schlittenfahrt zu dritt, bei der einer mit dem Tamburin das Klingelingeling der Pferdeglöckchen imitierte: Das Publikum, das den Saal bis auf den letzten Platz füllte, reagierte begeistert. Es hatte hörbar Spass an den gelegentlich ins theatralische abgleitenden Darbietungen dieses Trios, das so ungleich zusammengesetzt war und doch überraschend gut harmonierte.

Die musikalische Reise durch die Jahrhunderte begann mit tastenden Schritten und endete im fröhlichen Galopp. Eine beinahe kabarettistische Zugabe mit Musik von Haydn bildete den Schlusspunkt. Kein Wunder, dass beim anschliessenden Apero gleich der Wunsch nach einer Fortsetzung zu hören war. Unterhaltsame Klassik im Seniorenheim: Ein Format mit Zukunft, nicht nur für Senioren. Und für den Quartierverein Zollikerberg und die Residenz Neumünster Park ein neues Tätigkeitsfeld, das zu beackern sich lohnt.

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